Grit Weber aus Berlin

6. März 2010

Das Buch „Das Haus am Hohen Ufer“ trägt den Untertitel „Eine nachdenklich – leicht satirische Zeitreise zwischen der Osteseehalbinsel Fischland und der Insel Usedom“. Besonderes Augenmerk legt der Autor auf den Ort Ahrenshoop mit seiner Künstlerkolonie. In seinem Buch beschreibt er die Jahre 1943 bis 2009, also Erlebnisse von seinem 4. bis zu seinem 70. Lebensjahr. Daher ist das Buch so facettenreich, wie das Leben selbst.

Man lernt George Tenner als kleinen liebenswerten Lausejungen kennen, dem so manches Mal der Schalk im Nacken saß. Hierzu gibt er Episoden preis, die einen herzhaft lachen lassen, mag man sich doch nur einmal vorstellen, wie es ausgesehen haben muß, wie er als kleiner Junge im Schaufenster seiner Mutter saß, um seinem Trotz Ausdruck zu verleihen. Doch man lernt Tenner auch als wißbegierig und an seiner Umwelt interessiert kennen. Schier unstillbar scheint seine Neugier, mit der er das für ihn neue Inselland entdeckt.

Sehr interessant fand ich die Schilderung seiner Jugendzeit, hatte er doch bereits in jungen Jahren Kontakt zu Persönlichkeiten aus verschiedensten Bereichen. Nachvollziehbar, daß ihn diese Erlebnisse und vor allem die Gespräche, denen er beiwohnen und die er führen durfte, stark prägten und natürlich auch zum Nachdenken anregten.

Auf Grund dieser Prägung ist es auch verständlich, daß Tenner einen Fluchtversuch unternahm. Seine Inhaftierung und seine ganz persönliche Erfahrung mit den Methoden der StaSi ließen ihn gänzlich der DDR den Rücken kehren. In seinem Buch berichtet er jedoch auch über Schicksale anderer Personen, die die Macht der StaSi zu spüren bekamen. Das sind unter anderem Stellen im Buch, die einem unter die Haut gehen, die einen wütend machen, aber auch hilflos dastehen lassen. Unfaßbar, was unter dem Deckmantel der Demokratie alles geschehen ist.

Tenner bezieht in seinem Buch politisch klar Stellung. Er prangert an, deckt Mißstände auf und belegt diese mit Fakten. Das bezieht sich nicht nur auf die DDR, denn auch das andere Deutschland hat seine Schattenseiten, die es all zu gern vertuscht.

Natürlich berichtet Tenner auch von seinem Vater. Dem Kunstmaler Schmidt-Kirstein widmet er sogar ein ganzes Kapitel, obwohl sich die Kontakte zwischen ihnen sehr in Grenzen hielten. Besonders beeindruckt hat mich jedoch jede einzelne Zeile, in der es um seine Mutter geht. Man liest hier förmlich die bedingungslose Liebe zu ihr heraus. Süß, daß er sie als kleiner Junge heiraten wollte.

In „Das Haus am Hohen Ufer“ beschreibt Tenner sein Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Es gibt sehr amüsante Textstellen, dann auch wieder sehr ernsthafte. Insgesamt ist das Buch sehr interessant und spannend, aber auch sehr unterhaltsam. Der flüssige Schreibstil und das schier unerschöpfliche Vokabular des Autors lassen einen das Buch in einem Atemzug durchlesen. Wunderbar ist in diesem Zusammenhang auch das zahlreiche Fotomaterial, welches das Buch insgesamt etwas auflockert und noch interessanter gestaltet, als es eh schon ist.

In seinem Buch – ich habe es bereits erwähnt - trifft man auf unheimlich viele Persönlichkeiten. Einige werden nur kurz erwähnt, anderen werden ausführlichere Passagen gewidmet. Auch Briefe und Pressemitteilungen baut Tenner in sein Buch mit ein. Leser seiner Generation treffen hier sicherlich auf noch mehr ihnen bekannte Prominente, als ich mit meinen knapp 40 Lenzen.

All diesen Erlebnissen dient die malerische Ostseelandschaft bei Ahrenshoop als Kulisse. Tenner berichtet somit auch von den hier heimischen Landsleuten, erzählt wie man hier lebte, arbeite und zusammenhielt oder sich verriet. Land und Leute beschreibt er dabei so lebendig, daß man die Ostsee, den Strand und die Ahrenhooper vor seinem inneren Auge sehen kann. Man bekommt regelrecht Lust, in des Autors Fußstapfen zu treten und sich den Ort einmal selbst anzuschauen.

Wer Tenner bereits durch seine Krimis kennt, lernt ihn nun etwas besser und von einer ganz anderen Seite kennen und kann nachvollziehen, weshalb er seine Kriminalromane so spannend und brisant gestaltet. Doch auch wer ihn noch nicht kennt, dem sei dieses Buch empfohlen, denn es spiegelt ein Stück deutsche Geschichte wieder, die man nicht vergessen darf.

Das Buch ist aus meiner Sicht uneingeschränkt empfehlenswert…

Dagmar Hartmann aus Berlin

16. März 2010

Beleuchtet werden in "Das Haus am Hohen Ufer" die Jahre zwischen 1943 und 2009, bei denen George Tenner aus seinem Leben berichtet, was er erlebt hat, welche Eindrücke er mitnahm, seine Gedanken, Erlebnisse und Interpretationen aus der Ich-Perspektive erzählt. In dieser Zeit erlebte er einen Weltkrieg und dessen Ende, den Aufbau eines neuen Staates und deren Mentalität. Darin einbegriffen Demokratie und Nischenwirtschaft und ER sozusagen zwischendrin, um sich selbst zu finden.

Es beginnt in der sogenannten Künstlerkolonie in Ahrenshoop, wo verschiedene Künstler und Ärzte sowie andere namhafte Persönlichkeiten wohnten, die ihn in seinem Denken beeinflusst und teilweise geprägt haben. Dadurch verlief in diesem kleinen Ort das Leben der Leute etwas anders als im Rest des Landes.

In insgesamt 20 Kapiteln berichtet der Autor über Stationen aus seinem Leben.

Er beginnt mit seiner Kindheit, wie er sie als kleiner Bub noch in Erinnerung hat. Da waren zum Beispiel die einsamen Abende als 4jähriger, weil seine Mutter abends manchmal fort ging und in denen er ängstlich war und sich langweilte. Das Häufchen Unglück, das er dann vor das Schaufenster setzte, verfehlte dabei seine Wirkung nicht.

Aber auch der Krieg ging nicht spurlos an ihm vorbei. Zum einen, weil sein Vater deshalb nicht bei der Familie sein konnte und zum anderen, weil sich ein Bekannter von Swinemünde nach Dresden durchschlagen musste und er dies alles als Kind mit bekam.

Sein Leben auf dem Fischland gestaltete sich unterschiedlich. Er erlebte einige Abenteuer dort und lernte etwas von Navigation und Schiffen sowie dem Fischfang kennen. Dabei hat er auch mit Land und Leuten zu tun, die so ihre Eigenarten haben.

Im Sommer 1947 verbrachte er seine Ferien bei einer Familie, die Kinder hatte und mit denen er so einige Episoden erlebte.

Ein Kapitel beschäftigt sich mit den Werken seines Vaters, der beruflich ein Maler war. Ausführlich werden die Techniken beschrieben, die Gedanken, die zu den Themen der Bilder gehören, seine Beweggründe zu den Motiven erklärt, der Stil betrachtet. Bei einigen Werken wird erläutert, was der Künstler sich dabei gedacht hat. Dabei sind einige Bilder im Buch abgedruckt – zum besseren Verständnis für den Leser.

Wir erfahren weiterhin, dass er viele berühmte Persönlichkeiten trifft, die er zunächst als Kind kennen lernt, die aber später noch eine Rolle spielen werden - andere wieder flößten ihm Respekt ein. Und es wird deutlich, er hatte schon von Klein auf eine Neigung zu großen und schönen Autos.

Die Scheidung seiner Eltern machte ihm zu schaffen, weiterhin wurde er mit seiner Schulklasse verhaftet, weil sie der Ausgangssperre nicht Folge leisteten. Aber er hatte auch freudige Momente, sei es nun sein Motorrad oder auch eine Aufführung in der Semper-Oper in Dresden, bei der er dabei sein durfte und die auch seine Liebe zur klassischen Musik förderte.

Er wird konfrontiert mit der Politik der damaligen DDR, als es darum ging, dass sich Landwirte gegen die Zwangkollektivierung gestellt hatten oder auch mit der Krise in der KPdSU. Walter Ulbricht bekommt für ihn eine bleibende Bedeutung, daraus resultierend mit anderen Fakten schreibt er später den Roman „Der Wüstenwolf“.

Seine Biografie enthält außerdem verschiedene Begegnungen mit vielen Persönlichkeiten, wie zum Beispiel dem Sänger Fred Frohberg, Kurt Maetzig, einem Regisseur der DEFA, Helene Weigel, der Frau von Bertolt Brecht, der Schauspieler Ekkehard Schall und einige andere. An diesen Stellen im Buch bin ich immer etwas neidisch geworden beim Lesen, denn als normaler Bürger hat man selten die Möglichkeiten für solche Kontakte.

Ein großes Kapitel widmet er seiner Flucht aus der DDR und den damit verbundenen Umständen, die dazu geführt haben. Seine Erlebnisse mit dem Ministerium für Staatssicherheit und seine Inhaftierung bilden einen Komplex. Dazu kann ich von meiner Seite her nicht mitreden, denn im Jahr 1964 aufwärts, als das Ganze stattfand, wurde ich geboren und ich persönlich hatte nie das Bedürfnis, auszuwandern, auch wenn durchaus nicht alles in der DDR damals in Ordnung war. Allerdings erfuhr ich einiges auch erst später.

Insgesamt ist das Buch recht flüssig geschrieben, man kann einiges in seinen Erlebnissen nachvollziehen, wenn man sich in die jeweilige Episode hinein versetzt. Ebenso werden auch Hintergründe und politische Ereignisse aufgearbeitet, die jeder verstehen kann, denn der Schreibstil ist in der Erzählweise geschrieben. Manche Fakten muss man allerdings auch manchmal verdauen, seien es nun die Stellen, in denen die Verhältnisse des Krieges oder auch der DDR dargestellt werden.

Im Vordergrund steht aber der Mensch Tenner, der das Ganze sehr ereignisreich und persönlich zu Papier gebracht hat und so konnte ich viele Stationen seines Lebens kennen lernen. Nicht jeder schafft es, darüber ein Buch zu schreiben.

Empfehlenswert ist diese bildhafte geschichtliche Aufarbeitung allemal – im Mittelpunkt ein Autor, der mit beiden Beinen im Leben steht und noch lange nicht aufhören möchte, zu schreiben und seine Erlebnisse in der Welt zu verbreiten.

Es lohnt sich, "Das Haus am Hohen Ufer" zu lesen. Einmal angefangen, habe ich das Buch erst aus der Hand gelegt, als ich zum Ende gekommen war. Das Cover ist auch sehr ansprechend, befinden sich doch schöne Fotos der Region darauf.